Erinnerungen.
- Daniel
- 9. Juni
- 3 Min. Lesezeit
In Zeiten von Unsicherheit und Wandel sehnen wir uns nach der Vertrautheit der Vergangenheit – als Orientierung, Trost und Inspiration. Doch wie viel Wahrheit steckt in den nostalgischen Bildern, die wir uns selbst malen?

In Erinnerungen schwelgen. Eine Sehnsucht. Manchmal auch eine Flucht aus dem trüben Alltag. Gerade jetzt, in Zeiten der Polykrisen. Verschiedene, gleichzeitig stattfindende Krisen, die uns als Individuen und Gesellschaft beschäftigen. Das Zurückdenken und das Erinnern hat sicher auch einen politischen Aspekt. Zumindest suggerieren populistische Aussagen oder Meinungen, dass wir als Gesellschaft zurück zu unseren Wurzeln sollen, damit scheinbar all unsere Probleme gelöst sind. Altbewährtes währt am längsten, heisst es. Getreu dem Motto: Never change a winning team. Doch was genau sind diese "Wurzeln", und sind sie tatsächlich die Lösung? Oft sind diese vermeintlich goldenen Zeiten, die in solchen Kontexten heraufbeschworen werden, idealisierte Konstrukte. Erinnerungen, die von kollektiven Erzählungen und nostalgischen Gefühlen geprägt sind, blenden nicht selten die Komplexität und die Herausforderungen der damaligen Zeit aus. Der gesellschaftliche Wandel und Wandel im Allgemeinen ist da. Er passiert, ob wir wollen oder nicht. Ich sehe darin viele Chancen und Möglichkeiten. Gemeinsam und miteinander können wir den Wandel gestalten. Der Ursprung zu diesem Beitrag liegt nicht darin, dass ich mir Gedanken zu den einzelnen Krisen gemacht habe. Vielmehr ist es ein Bedürfnis aus dem Moment heraus, das während einer Fahrt vom Appenzellerland zurück zu meinem Wohnort entstand. Es war eine dieser Fahrten, bei denen der Blick über die Landschaft schweift und Gedanken sich unweigerlich ihren eigenen Weg bahnen. Ich fragte mich, warum uns das Erinnern so oft begleitet, warum wir immer wieder an Vergangenes denken – sei es in persönlichen Momenten oder als Gesellschaft. Vielleicht ist es die Suche nach einem Gefühl von Sicherheit und Kontinuität in einer Welt, die sich scheinbar immer schneller dreht. Vielleicht auch der Versuch, die Gegenwart greifbarer zu machen, indem wir sie in den Kontext dessen stellen, was wir bereits kennen.
Ich finde das Erinnern und erinnern können eine faszinierende Eigenschaft. Ich kann nicht beurteilen, ob nur ich diese Faszination dieser Eigenschaft von uns Menschen so sehe. Sich erinnern können ist im Grunde genommen doch schon etwas, dass uns Menschen auszeichnet. Es ist etwas, dass mich baff macht. Schon krass, wenn wir einfach so an die Zeiten in der Vergangenheit denken und uns in diese Zeit zurückversetzen können, nicht? Erinnerungen an eine Zeitepoche haben vielfach etwas Unbeschwertes, glückliches, fröhliches. Vor allem wohl auch, weil wir uns besonders prägende Ereignisse merken, vielfach sind das positive Momente. Zumindest ist das bei mir so. Wenn ich zurück an die späten 90er und 0er Jahre denke, an die Kindheit. Die Musik. An die Sitcoms. An das Aufkommen der ersten Mobiltelefone. Die Kleidung, Mode, Trends. Dies kommt besonders dann zum Ausdruck, wenn im Freundeskreis gemeinsam an die Vergangenheit erinnert wird. Der Damm wird spätestens dann gebrochen, wenn der Satz "Boaah, weisst du noch, als wir...". Danach gibt es kein halten mehr. Euphorisch werden lustige oder peinliche Erinnerungen geteilt. Dieser Moment hat eine Magie. Es liegt in der Luft – eine spürbare Verbindung, eine Art Zeitreise, die uns alle für einen kurzen Moment aus dem Hier und Jetzt herauslöst. Retro ist so aktuell wie kaum zuvor. Scrollen wir nur schon durch die Spotify Hits. Viele sogenannte Remakes aus den 90er feiern Grosserfolge. Und wenn ich Teile der GenZ beobachte, sehe ich Kleidungsstücke, die ich oder sogar meine Eltern während meiner Kindheit getragen haben. Es ist fast so, als ob die Vergangenheit einen Weg gefunden hat, sich wieder in die Gegenwart einzuschleichen – vielleicht, weil sie uns ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit gibt, das uns in diesen unruhigen Zeiten fehlt.
Doch Erinnerungen sind nicht nur nostalgische Fluchten. Sie haben auch eine Stärke, die uns Orientierung gibt. Sie verbinden uns mit unseren Wurzeln, unseren Erfahrungen und den Menschen, die uns geprägt haben. Sie erinnern uns daran, wer wir sind und was wir erlebt haben. Vielleicht ist das der Grund, warum wir so oft in die Vergangenheit blicken, gerade in Zeiten der Unsicherheit – um Halt zu finden, um uns selbst nicht zu verlieren. Erinnerungen sind wie kleine Anker, die uns im Sturm des Lebens stabilisieren können. Und gleichzeitig sind sie auch ein Motor für die Zukunft. Denn während wir uns an das erinnern, was war, können wir auch daraus lernen und neue Träume formen.
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