Dilemma.
- Daniel
- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 14 Minuten
In vielen Alltagssituationen stehen wir im Dilemma. Was ist gut oder was wäre noch besser. Nicht selten kommt es zu inneren Gewissenskonflikten. Einem Hin und Her. Was ist in gesellschaftlicher Hinsicht korrekt? Darüber nun ein Versuch, über das richtige Richtig zu philosophieren.

Erst kürzlich stand ich wieder einmal vor dem Supermarktregal – mit der scheinbar simplen Aufgabe, die richtige Milch auszuwählen. Und plötzlich war da ein inneres Stimmenkonzert, das sich fast schon nach Podiumsdiskussion anfühlte. Eine Stimme sagte: „Kauf die normale Milch – also Kuhmilch. Auf diesen einen Liter kommt es gesamthaft betrachtet nicht an.“
Die nächste widersprach: „Nimm die Hafermilch! Der Hafer kommt zwar aus Belgien, aber das ist immer noch besser als Kuhmilch.“ Eine andere flüsterte: „Kauf das, was dir am besten schmeckt – aber bitte keine Sojamilch!“. Und schliesslich meldete sich auch noch die Stimme der Vernunft zu Wort: „Schau dir die Preise an. Die ökologische Sichtweise ist wichtig, aber die ökonomische genauso.“.
Da stand ich also. Überfordert, zwischen Dutzenden Produkten und noch mehr inneren Meinungen. Jede Stimme hatte ihre Berechtigung. Und dieses kleine, alltägliche Beispiel zeigt, wie komplex scheinbar einfache Entscheidungen geworden sind. Egal, wofür ich mich entscheide, irgendjemand könnte meine Entscheidung in Frage stellen. Die lokalen Landwirt:innen könnten enttäuscht sein, wenn ich keine regionale Bio-Milch kaufe. Umweltbewusste Mitmenschen könnten mit dem Kopf schütteln, wenn ich mich, der schlechten Ökobilanz wegen für Kuhmilch entscheide. Es ist ein Drahtseilakt zwischen gesellschaftlich „richtigem“ Handeln, dem, was das eigene Portemonnaie zulässt, und dem, was sich innerlich stimmig anfühlt. Dieser Spagat beschäftigt mich. Denn er zeigt, dass wir uns in eine Art Vierklassen-Einkaufsrealität bewegen:
Diejenigen, die ökologisch korrekt einkaufen wollen und können.
Diejenigen, die ökologisch korrekt einkaufen wollen, aber nicht können.
Diejenigen, die könnten, aber nicht wollen.
Und schliesslich diejenigen, die weder können noch wollen. sei es aus Desinteresse oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.
Ich möchte an dieser Stelle nicht urteilen oder bewerten, was „richtig“ oder „falsch“ ist. Das steht mir nicht zu. Aber dieser kleine Milch-Moment hat mir vor Augen geführt, wie wichtig es wäre, als Gesellschaft einen Weg zu finden, der alle mitnimmt, ohne moralischen Zeigefinger. Zumindest bei vordergründig banalen Dingen wie dem Milchkauf.
"Mach es allen recht – oder lieber dir selbst?"
Dieser Einkauf hatte aber auch eine tiefere Ebene. Er erinnerte mich an einen inneren Antreiber, den viele von uns mit sich herumtragen: „Mach es allen recht.“. Dieser Satz klingt harmlos, aber er kann ganz schön anstrengend sein. Denn wenn ich es allen recht machen will, wo bleibe dann ich? Ich denke, wir alle sollten unseren Teil zum Klimaschutz beitragen, ja. Das ist keine Frage. Aber ich glaube auch: Es bringt nichts, wenn wir dabei uns selbst verlieren. Deshalb finde ich: Ja, mach es allen recht. Aber zuerst dir selbst. Denn nur, wenn wir in unserer Haltung authentisch bleiben, können wir glaubwürdig handeln. Es allen recht zu machen ist eine schöne Idee, die Solidarität in sich trägt. Aber sie funktioniert nur, wenn jede:r aus eigenem Antrieb das für sich Mögliche tut. Und dabei sollten wir weniger urteilen, weniger vergleichen, weniger kritisieren. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen inneren Kompass, auch beim Einkaufen. Es geht nicht darum, Vorschriften zu machen oder Lebensstile zu bewerten. Sondern darum, zu inspirieren. Neugier zu wecken. Und Mut zu machen, den eigenen Lebensstil in Zeiten der Klimaveränderung zu hinterfragen - in kleinen, persönlichen Schritten.
"Bis dahin gilt: Das Kleingedruckte lesen – und den Blick schärfen."
Zum Schluss noch etwas ganz Praktisches: Heute geht es beim Einkaufen längst um mehr als um das alte „Geiz-ist-geil“-Motto. Ich freue mich darüber, dass ethisches Konsumverhalten für viele Konsument:innen immer wichtiger wird. Umso erstaunlicher finde ich es, dass viele Grossverteiler mit echter Transparenz noch immer hadern. Um beim Milchbeispiel zu bleiben: Es würde mir das Leben erleichtern, wenn ich auf einen Blick sehen könnte, was in meiner Milchalternative drin ist, woher die Zutaten stammen, wie produziert wurde und unter welchen Arbeitsbedingungen. Bis das Realität ist, bleibt mir nur: Genau hinschauen. Das Kleingedruckte lesen. Neugierig bleiben. Mich informieren. Und den Wert von Lebensmitteln schätzen. Ach ja! Für alle, die sich jetzt die ganze Zeit gefragt haben, wie meine Entscheidung ausgegangen ist: Ich habe mich für Hafermilch entschieden.
Wie triffst du solche Entscheidungen?
Was beeinflusst dein Einkaufsverhalten?
Comments