Kei Ziit.
- Daniel
- 4. Jan. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Die moderne Gesellschaft ist unter Zeitdruck. Dieser Text soll ein Plädoyer sein für mehr Achtsamkeit mit sich Selbst und der Umwelt. Denn eines ist gewiss: Wir leben in einem endlichen System.

Es gibt wohl kaum etwas Faireres als Zeit. Der Tag hat für uns Alle exakt 24 Stunden. Und doch scheint es, als lebten wir in einer Gesellschaft, in der die Zeit kommerzialisiert wird. Doch wissen wir seit Albert Einstein, dass Zeit relativ ist. Er war es denn aber auch, der den Begriff Zeit so verblüffend einfach erklärte: "Zeit ist das, was du auf der Uhr abliest". Nun ja. Zeit kann schnell vergehen (Die Zeit verfliegt). Sie kann aber auch ganz langsam vergehen. Je nach Situation empfinden wir anders. Ein gemütliches Beisammensein mit Freunden und einem leckeren Essen vergeht wie im Fluge. Es scheint, als wären zwei Stunden nur zwei Minuten. Die Hand auf eine heisse Herdplatte zu legen hingegen, scheint als wären zwei Sekunden zwei Stunden. Soweit der theoretische Ansatz und die einfache Formel, dass nun eben diese Zeit immer relativ ist.
"Nur ein kleiner Teil des Lebens ist es, den wir leben".
Keine Zeit zu haben ist eine bewusste Entscheidung - Und Ausrede Nummer eins bei vielen. Nun die Frage dabei ist vielfach, ob es wirklich an der Zeit mangelt oder ob doch nicht einfach keine Lust vorhanden ist. Auf der einen Seite spriessen unzählige Angebote zum Thema Achtsamkeit aus dem Boden, seien dies Bücher, Workshops, Wochenendtrips. Auf der anderen Seite stehen viele von uns unter enormen zeitlichem Druck. Beruflich und privat sind die Tage durchgetaktet. Wer will denn schon ein Wochenende nichts Spannendes erleben?! Und wenn doch, dann klingt dies spiessig. Langweilig. Öde. Genuss kommt vielfach trotzdem zu spät. Beispielsweise erlebte ich dies vor kurzem im Kunstmuseum Zürich. In einer Sonderaustellung konnten Besucher:innen das Lebenswerk von Niki de Saint Phalle bestaunen. Naja, als Bestaunender war ich wohl eher in der Minderheit. Hektisches Umhertreiben. Möglichst viele Fotos in möglichst kurzer Zeit sollten gemacht werden. Direkt während des Besuchs der Ausstellung wurde wild auf Social Media Kanälen gepostet. Persönliche Zitate oder Texte, die das Leben und Denken von Niki de Saint Phalle beschrieben, wurden nur wenig beachtet. Eigentlich kaum. Es schien mir vielfach als ob es darum ginge, den Tag mit möglichst viel Happening voll zu packen. Als Sahnehäubchen sozusagen ein kurzer kultureller Abstecher, um allen zu zeigen, wie vielseitig interessiert man ist. Und all dies für die Zuhausgebliebenen? Die Follower? Die Anderen? Wo bleibt die Musse, die Zeit um die ordinären, bunten und verspielten Kunstwerke en détail zu bestaunen? Zu entdecken? Um nachzudenken? Wir sind Vielbeschäftigte. Und durch dieses vielbeschäftigte Handeln vergessen wir uns Selbst. Passend fand ich ein Zitat: "Nur ein kleiner Teil des Lebens ist es, den wir leben". Leben in der inneren Ruhe. Der Gelassenheit. Der nötigen Musse. Der bedingungslosen Hingabe zum einen Moment, zum Jetzt.
"Wenn ich Zeit hätte, würde ich langsamer leben".
Irgendwie scheint es mir, als stünden wir als Gesellschaft unter Dauerstrom. Eine Hektik macht sich breit, die wiederum andere ungeduldig machen lässt. Kaum ist der eine Moment vorbei sind wir gedanklich drei Schritte weiter. Das achtsame Wahrnehmen der Umwelt, sich Selbst und der Natur geht dabei immer mehr verloren. Nun bin ich da keine explizite Ausnahme. Auch ich finde mich immer mal wieder im Hamsterrad. Vielleicht mehr als mir lieb ist. Wohl auch, weil ich gerne vielbeschäftigt bin. Vielseitig vielbeschäftigt. Ein bewusstes Auseinandersetzen mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit war jedoch ein Eye Opener. Und zwar wurde ich kürzlich gefragt, ob ich mir denn bewusst sei, wie viel Zeit ich mir für meine Lebensbereiche widme? Meine kurze Antwort: "Keine Ahnung, ich hatte bis dato noch keine Zeit, mir das zu überlegen". Findest du dich in dieser Antwort wieder? Dann lege ich dir die folgende Übung ans Herzen. Unterteile als erstes dein Leben in verschiedene Bereiche. Als kleine Inspiration könnte dies wie folgt vorgenommen werden:
Arbeit; entspricht deiner eigentlichen Lohnarbeit
Vitalität; entspricht deiner Bewegung, Gesundheit, Ernährung
Ich-Selbst; entspricht dem, was dich zu deinen Bedürfnissen zurückführt
Beziehungen; entspricht den sozialen Kontakten
Gesellschaft; entspricht dem Wunsch nach etwas Grösserem als "nur" einen sozialen Kontakt zum Freundeskreis.
Nun protokolliere während einer Woche oder einem dir selbst gewählten Zeitrahmen chronologisch und penibel genau, wie du deinen Tag gestaltest. Erstelle dafür am besten ein Raster mit folgenden Kriterien: Dauer, Tätigkeit, Lebensbereich, Bedeutsamkeit. Sei dabei nicht verbissen oder verkrampft. Mach es spielerisch und lustvoll. Blicke nach einer Woche auf deine Tagesprotokolle und frage dich:
Welche Lebensbereiche habe ich besonders oft genannt? Welche seltener?
In welchen Bereichen möchte ich die zeitliche Dauer ändern oder bewusster nutzen?
Wie stehen Bedeutsamkeit und Dauer in Relation zueinander?
Was für persönliche Schlüsse oder Erkenntnisse entnehme ich aus diesen Protokollen?
Nimm dir diese Zeit, um das Tagesprotokoll zu führen. Wie erwähnt war es für mich eine Analyse, die zugegeben unterbewusst schon geklärt war, was das Resultat sein würde. Etwas Schwarz-auf-Weiss zu haben hilft trotzdem. Denn die Zeit ist unser kostbarstes Gut. Einige mögen sogar sagen, es ist so kostbar, dass es schon fast Luxus sei. Und Luxus gönne ich mir nur selten. Dieser Ansatz mag für einige vielleicht ein Lebensgefühl sein. Doch sind wir ehrlich: Wollen wir wirklich Zeit als Luxusgut betrachten und somit unser Leben nicht leben?
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